Grünfilter - Venus

Die linke Grafik zeigt die Transmissionskurven der Blau-, Grün- und Rotfilter des Herstellers B+W Schneider-Kreuznach aus den 1990er Jahren, die für die Schwarz-Weiß-Fotografie entwickelt wurden. Die Typen Gelbgrün 060 und Grün 061 bieten einmalige Eigenschaften und sind noch auf dem Gebrauchtmarkt zu finden - sogar in 2" und 1,25" Fassungen aus der Zeit um das Jahr 2000 herum, da B+W damals das astronomische Potenzial dieser Filter für die Planetenbeobachtung erkannte.

 

Die mittlere Grafik zeigt die aktuelle Farbfilterserie von Baader Planetarium für die Planetenbeobachtung. Die Transmissionskurven der Gelb-, Orange- und Rotfilter ähneln jenen der weiterhin erhältlichen B+W-Langpassfilter Gelb 022, Orange 040 (Transmissionskurven hier) und Hellrot 090 sehr. Die Baader Farbfilter Blau, Hellblau und Grün sind dagegen Bandpassfilter  mit glockenförmigen Transmissionskurven (siehe unsere Rubrik Nomenklatur) die sich deutllich von B+W Hellblau 080, Blau 081, Gelbgrün 060 und Grün 061 unterscheiden.

 

Rechts ist die Transmissionskurve des Baader Solar Kontinuum Filters zu sehen. Es handelt sich um einen grünen Linienfilter mit einer Zentralwellenlänge (ZWL) von 540nm und einer Halbwertsbreite (HWB) von 10nm. Er wurde für die Sonnenbeobachtung entwickelt um, in Kombination mit Weißlicht Sonnenfiltern, den Kontrast zu verstärken und atmosphärische Turbulenzen zu blocken. 2022 wurde ein neues Modell mit 7,5nm HWB eingeführt.

 

Von hinten links nach vorne rechts:

B+W Gelbgrün 060 (in 2-Zoll Fassung)

B+W Grün 061

Baader Farbfilter Grün

Baader Solar Kontinuum 540/10nm

 

An den Reflexionen ist gut zu erkennen, dass es sich bei Baader Farbfilter Grün und Solar Kontinuum 540/10nm um Interferenzfilter handelt. Die B+W Filter sind Absorptionsfilter.

 

 

 


Am 3. April 2023 richtete ich einen 4-zölligen apochromatischen Refraktor auf die Venus in der noch hellen Abenddämmerung eine knappe halbe Stunde nach Sonnenuntergang. Der Planet stand gute 30° über'm Horizont mit einer Helligkeit von -3m9, einer Phase von 77% und einem Scheibendurchmesser von 14 Bogensekunden.

 

Ungefiltert erhielt ich das beste Bild bei 160x mit dem deutlichen Eindruck, dass der Terminator (die Tagnachtgrenze auf der Planetenoberfläche) diffuser war wie der Planetenrand (zum All hin). Zahlreiche hauchdünne konzentrische helle Linien wie zarte Beugungsringe flackerten um die Venus herum, bis zu zweimal Scheibendurchmesser weg reichend.

 

Der B+W Gelbgrün 060 Filter lieferte eine leichte Schärfung des Bildes. Aber die vielen Linien um die Venus waren noch da, und ein einzelner besonders heller Ring lief dicht vor dem Planetenrand entlang. Insgesamt war kein wirklich großer Gewinn gegenüber ungefiltert zu erkennen.

 

Der B+W Grün 061 Filter lieferte eine deutliche Schärfung und Seeing-Beruhigung gegenüber ungefiltert und Gelbgrün 060. Die Scharfstellung gelang nun viel leichter, und insbesondere der Planetenrand gewann sehr an Schärfe.  Der einzelner heller Ring vor dem Planetenrand war noch vorhanden aber nicht mehr auffällig.

 

Der Baader Color-Filter Grün erzielte eine Wirkung welche etwa in der Mitte zwischen B+W Gelbgrün 060 und B+W Grün 061 lag. Unter diesen drei klassischen Grünfiltern lieferte der B+W Grün 061 das mit Abstand beste Bild.

 

Doch nun schraubte ich - ganz experimentell und ohne besondere Erwartungshaltung - den Baader Solar Kontinuum Filter (Zentrallwellenlänge 540nm, alte Version mit Halbwertsbreite 10nm) ins Okular. Dieser brachte eine weitere Steigerung gegenüber dem B+W Grün 061 Filter bezüglich Schärfung und Bildberuhigung - ein regelrechter Durchbruch!

 

Bei allen Vergrößerungen von 67x bis 213x war der Fokus sehr gut zu treffen, die hellen Ringe um die Venus komplett weg, die Unterscheidung Planetenrand/Terminator sehr klar. Ich konnte auf 213x hochgehen ohne Schärfeeinbruch und mit einer noch sichtbaren Okularfeldblende, was zur Positionierung des Planeten im Feld hilfreich ist.

Mit einiger Begeisterung meinte ich bei 160x sehr zarte, kleine, rundliche Flecken (nicht Bänder) auf der Planetenoberfläche zu sehen. Tatsächlich fand ich die Positionen dieser Flecken am nächsten Tag beim Betrachten des nebenstehenden Fotos bestätigt. Leider hatte ich keine Skizze angefertigt - doch sie deckten sich in der noch frischen Erinnerung gut mit den dunkelsten Stellen auf dem UV-Foto.

 

Diese Fotos der Venus wurden zur gleichen Zeit wie meine visuelle Beobachtung aufgenommen. UV = Ultraviolett, IR = Infrarot. Im unteren Bild sind UV, IR und die Rot- und Blaukanäle überlagert. Die dunklen Wolkenbänder in den höheren Schichten der Atmosphäre sind gut zu erkennen.

 

Bildautor: Nutzer "komposer" auf Astronomie.de, Bildnutzung mit freundlicher Genehmigung


Sechs Tage später, am 9. April 2023, richtete ich wieder den 4-zölligen Apochromaten auf die Venus. Direkt nach Sonnenuntergang war die Umgebung noch hell genug um Zeitung zu lesen und kein Himmelsobjekt außer der Venus mit bloßem Auge zu sehen. Der Planet stand gute 35° über'm Horizont mit einer Helligkeit von -4m1, einer Phase von 75% und einem Scheibendurchmesser von 14,6 Bogensekunden.

 

Diesmal stieg ich gleich mit dem Baader Solar Kontinuum Filter 540/10nm ein.  Bei allen Vergrößerungen von 67x bis 160x war der Planetenrand zum All hin sehr scharf, die Tagnachtgrenze (Terminator) auf der Planetenoberfläche wesentlich weicher als der Planetenrand. Schon bei 67x und mit steigender Vergrößerung immer klarer sah ich zwei Einkerbungen am Terminator, eine dicht südlich des Äquators, eine bei ca. 40° Nord.

 

Nun wagte ich ein weiteres Experiment: Zwei Stück Baader Solar Kontinuum Filter 540/10nm übereinander gestackt. Dies lieferte im Vergleich zum Einzelfilter zwar keine weitere Seeingberuhigung, jedoch eine leichte Schärfung und Kontraststeigerung . War das Bild mit Einzelfilter bei 160x zuvor noch leicht überhell, empfand ich die Helligkeit nun optimal.

 

Mehr noch: Von den Einkerbungen am Terminator gingen nun dunkle Bänder auf der Venusoberfläche weiter. Die nebenstehende schnelle Skizze am Okular zeigt deren Lage und Ausdehnung. Ihr Kontrast war natürlich längst nicht so ausgeprägt - eher schmenhaft zu bezeichnen, aber wiederholt zu halten!

Am nächsten Tag ging ich auf die Suche nach einem "Beweisfoto". Glücklicherweise hatte Nutzer "komposer" auf Astronomie.de (Bildnutzung mit freundlicher Genehmigung) wieder ein UV-Foto zur gleichen Zeit wie meine visuelle Beobachtung aufgenommen.

 

UV fotografisch ist nicht gleich Grün visuell. Doch sind die Übereinstimmungen und die Unterschiede höchst interessant. Als Übereinstimmung fand ich die Lage "meiner" Bänder im Verhältnis zum Terminator bestätigt - als Unterschied einige Differenzen in der Form und Ausdehnung der Bänder.

 

Wie auch immer lieferte nach zwei Beobachtungen ein Abgleich mit Fotos im UV jeweils eine erste Annäherung an das im Grünen Gesehene.

 

 


Weitere Grünfiltertypen und Anwendungsmöglichkeiten

Mögliche Anwendungen:

  • Allgemeine Kontraststeigerung/Seeingberuhigung an Merkur und Venus
  • Kontraststeigerung spezifischer Details auf Mars, Jupiter und Saturn
  • Verbesserte Trennung von Doppelsternen

Die eingangs vorgestellten B+W Filter Gelbgrün 060 und Grün 061 sind Mischformen von Bandpass- und Langpassfilter. Der Baader Grünfilter ist ein klassischer Bandpassfilter, der Baader Solar Kontinuum Filter ein Linienfilter (für eine ausführliche Erklärung dieser Begriffe siehe unsere Rubrik Nomenklatur) . Darüber hinaus gibt es einige weitere interessante Grünfilter:

RBG-Filter sind Bandpassfilter mit sehr hoher Transmission und steilen Kurvenflanken. Die RGB-Grünfilter unterscheiden sich untereinander darin, wie weit - falls überhaupt - sie ins Blaue oder Rote reichen. Der Baader RGB CMOS Grünfilter (Mitte) zeichnet sich z.B. dadurch aus, dass er das Rote vollständig abschneidet während er gerade weit genug ins Blaue reicht um beide OIII-Linien durchzulassen. Rechts sind die Transmissionskurven der IDAS RGB Type 4 Filter gezeigt.

 

Im Astrobedarf sind die Wratten Grünfilter #56, #11 und #58 zu finden.

Wratten #56 und #58 haben ihr Transmissionsmaximum um 525nm herum, Wrattten #11 ist im Vergleich dazu ein wenig ins Blaue verschoben.

 

 

 

 

 

 

 

 

Japanische Hersteller - hier Hoya - bezeichnen ihre Grünfilter als X0 (Gelbgrün) und X1 (Dunkelgrün). 

 

Die Transmissionskurve des gelbgrünen X0 Filters ist ein Mittelding zwischen Wratten #56 (Kurve siehe oben) und B+W 060 (Kurve eingangs präsentiert).

 

Die Kurve des dunkelgrünen X1 Filters ist wiederum ein Mittelding zwischen Wratten #58 und B+W 061.

 

Sie sind heute noch - vielleicht nicht mehr lange! - in Gewindefassungen bis 82mm Größe erhältlich.

 

Nicht nur Baader bietet einen auf 540nm zentrierten Linienfilter an. TS bietet einen "Photosphärenfilter" (Photosphere Filter) mit 10nm HWB an, siehe rechte Abbildung. Die mittlere Abbidlung zeigt die Transmissionskurve des 2022 eingeführten Baader Solar Kontinuum Filters mit 7,5nm HWB; dieser löste die frühere Version mit 10nm (linke Abbildung) ab.

 

Baader bot bis 2022 eine gestackte Version seines 10nm-Filters in 1,25" Gewindefassung an (Baader-Produktnummer 2458392; nicht-gestackte Version: 2458390). Laut Baader liefert der neuer 7,5nm-Filter nun einen derart hohen Kontrast, dass eine gestackte Version nicht mehr zielführend sei.

 

Der Baader Contrast Booster ist ein Neodymium Filter (siehe Abschnitt "Notch" in unserer Rubrik Nomenklatur) der bei 480nm abwärts gekappt ist. Durch das Abschneiden des Blauen in Verbindung mit der für Neodymium-Filter typischen Transmissionsspitze um 550nm entsteht eine zarte Grüntönung.

 

Dies ist kein klassischer Grünfilter, und seine kontraststeigernde Wirkung ist hinlänglich bekannt - sie prangt sogar im Produktnamen. Insofern ist seine Nutzung zur Kontraststeigerung an Planeten und Mond keineswegs innovativ oder gar experimentell. Doch eine Präsentation der Grünfilter wäre ohne ihn nicht vollständig.