H-Beta

Baader H-Beta 8,5nm H-Beta 5,5nm
Links H-Beta 8,5nm, rechts 5,5nm. Diese Filter sind für Öffnungsverhältnisse bis F2,8 bzw. F2,0 optimiert. Der Verwendung an schnellen Optiken, u.a. an Ferngläsern, steht somit nichts im Wege.

Wenn in Beobachtungsberichten von "H-Beta" gesprochen wird, wird selten der genaue Filtertyp erwähnt. Dies war vor 20 Jahren verständlich, denn damals gab es nur H-Beta-Filter mit Halbwertsbreiten (HWB) um 12nm herum. Dann wurde  ein fotografischer H-Beta-Filter mit einer HWB von 8,5nm eingeführt. Die Beobachtergemeinde nahm davon keine Notiz. Im Jahr 2021 jedoch führte Baader einen fotografischen H-Beta Filter mit einer HWB  von 5,5nm ein, der sich auch bestens zur visuellen Nutzung eignet.

 

Spätestens seit der Einführung dieses 5,5nm-Filters ist die Aussage "H-Beta" ohne weitere Qualifizierung ungefähr so undifferenziert, als würde man "4-Zoll-Teleskop" sagen, ohne die verwendete Vergrößerung zu nennen. In dieser Rubrik machen wir den Anfang, sauber zwischen 12nm, 8,5nm und 5,5nm zu differenzieren. Es macht eine Menge aus, wie die folgenden Beobachtungsberichte dokumentieren!


NGC 1499 - Der Kaliforniennebel

NGC 1499

GN

04h03m18s

+49°31'12"

sichtbar ab: FG

Größe: 240' x 40'

Helligkeit: 6m0

Quelle: POSS Deep Sky Survey (aus: Astronomie.de, AdW 2020-01)
Quelle: POSS Deep Sky Survey (aus: Astronomie.de, AdW 2020-01)

In der zweiten Hälfte der Nacht vom 3. auf den 4. September 2021 erreichte hinter dem Haus die Himmelsqualität FST 5m4 - das Beste, was ich an meinem Wohnort erhoffen kann – und der Perseus war um diese Nachtzeit schon recht hoch am Himmel. So richtete ich das 10x70 Fernglas auf den Kaliforniennebel NGC 1499, nacheinander drei verschiedene H-Beta-Filtertypen paarweise auf die Okulare platzierend.

 

Die Beobachtungen im Einzelnen:

Ungefiltert: Kein Nebel zu sehen. Eingedenk der wunderbaren Sichtungen, die mit H-Beta-Filter an diesem Nebel möglich sind, überrascht mich die Unsichtbarkeit im ungefilterten Bild stets.

Astronomik H-Beta 12nm: Ein breites Nebelband ist eindeutig auszumachen, konkav zu Xi Per gekrümmt. Ca. 1,5° lang und 0,7° dick. Es ist schwer zu erkennen, wo das Band genau endet. Die langen Flanken nach Nordosten und Südwesten erscheinen dagegen klar.

 

So weit, so normal. Nun kamen die fotografischen Schmalbandfilter zum Zuge:

Baader H-Beta 8,5nm CCD: Ein auffälliger, gekrümmter Nebel. Im Vergleich zu H-Beta 12nm ist mit H-Beta 8,5nm der Kontrast zum Himmelshintergrund besser und der Nebel gewinnt an Länge, nun ca. 2° erreichend. Eine Ausbuchtung in der Mitte der nordöstlichen Flanke sieht aus wie eine sehr flache, lange Rückenflosse eines Fisches.

Baader H-Beta 5,5nm CMOS-optimiert: Dramatisch bester Anblick. Der Nebel steht scharf abgegrenzt von der dunklen Umgebung, besonders nach Nordosten. Die Ränder sind noch deutlicher als mit H-Beta 8,5nm. Der Kontrastgewinn geht nicht auf Kosten von Details oder Ausdehnung des Nebels. Ganz im Gegenteil: Nach Osten wird erkennbar, dass der Nebel sich über ca. 2° weiter zieht, somit eine Gesamtlänge von 4° hat! Dieser Fortsatz des Nebels ist sehr zart, die Krümmung des hellsten Teils (bei Xi Per) fortführend, sich zuerst nach Südosten und dann nach Süden krümmend, beinahe bis zum Stern HD 26311 reichend.

 

Das hier gezeigte Foto zeigt gut die Größe des Nebels, so, wie ich ihn mit dem 5,5nm-Filterpaar am 10x70 Fernglas sah. Der Nebel war tatsächlich in dieser Ausdehnung von 4° Länge zu sehen - natürlich nicht mit solchem Kontrast oder so detailreich, aber in dieser Größe. HD 26311 ist der helle Stern (visuell 5m7) nahe dem unteren Rand des Fotos. Das Foto vermittelt auch einen guten Eindruck der von mir beschriebenen "Rückenflosse" an der nördlichen Flanke des Nebels gegenüber von Xi Per.

 

Den enormen Gewinn des 5,5nm-Filters (im September noch ein Prototyp; seit November 2021 am Markt) am Kaliforniennebel konnte ich seitdem mehrfach bestätigt finden, sowohl mit dem 10x70 Fernglas als auch mit einem 7x45. Diese Beobachtungen waren durchweg unter 5mX-Himmel. So fragte ich mich, was wohl der schlechtester Himmel sei, der den Nebel noch visuell preisgibt. Am 9. November 2021 hatte ich unfreiwillig eine Gelegenheit dazu, diese Grenze ein wenig auszuloten:

 

Ich hatte gerade zum ersten Mal am 14x80 Fernglas die 5,5nm H-Beta-Filter angebracht und auf beiden Seiten des Glases den Fokus sauber eingestellt, was nicht ganz trivial ist bei dem ungewohnt dunklen Bild. Das kleine Sterndreieck direkt nordwestlich von Alkione in den Plejaden erwies sich als sehr nützlich dafür. Dann sah ich, dass der Himmel langsam am Zuschmieren war. Schnell rüber zum Kaliforniennebel, bevor es vorbei ist!

 

Mit bloßem Auge war Xi Per nur noch schwer indirekt zu halten. Jener Stern (der nebenbei die Anregungsquelle des Nebels ist) hat eine visuelle Helligkeit von 4m0, FST war somit zum Zeitpunkt der Beobachtung 4m0. Dennoch war der Nebel sofort in der ganzen Ausdehnung des hellsten Teils bei Xi Per zu sehen (ca. 1,7x0.6° groß), so, wie im Interstellarum Deep Sky Atlas kartiert. Zart, aber durchaus auffällig. Ich konnte sogar erkennen, dass die nordöstliche Flanke heller als der restliche Nebel war.

 

Ich fand es faszinierend, zu erkennen, dass der Kaliforniennebel derart hell ist, dass er sogar einen 4m0-Himmel überstrahlt - und dies visuell wahrnehmbar ist. Ich hatte dies nicht erwartet, doch engste H-Beta-Filterung enthüllte es. 

 

Nun habe ich mir die Aufgabe gestellt, herauszubekommen, was der schlechteste Himmel ist, dem ich den klassischen Teil des Kaliforniennebels (also den knapp 2° großen "Atlasanblick") mit 5,5nm H-Beta abringen kann. Die Beobachtung bei FST 4m0 war nicht bloß erahnt, sondern gesehen, schön war das. Ich werde in 0m2-Schritten vorgehen: Xi Per hat 4m0, Omi Per 3m8. Wenn Xi nicht zu sehen ist, bin ich in 3mX-Territorium. Wenn Omi nicht zu sehen ist, habe ich 3m8 geknackt. Gelingt das, werde ich mir einen 3m6-Referenzstern aussuchen, und so fort. So freue ich mich regelrecht auf den nächsten Hochnebel!

 

Für Infos zum Zusammenhang des Kaliforniennebels mit seiner Umgebung siehe Per OB2 in unserem Beobachtungsprojekt "Sternassoziationen".


NGC 7822 - Der Nordrand der Assoziation Cepheus OB4

NGC 7822

GN

00h00m00s

+68°22'00"

sichtbar ab: FG

Größe: 100' x 13'

Helligkeit: --

Die hier genannte Größe ist den gängigen Datenbanken entnommen. Wie die folgende Erörterung zeigt, ist der Nebel in Wirklichkeit sowohl fotografisch als auch visuell wesentlich größer. Zudem gibt es einige Verwirrung in Datenbanken und Literatur bzgl. der genauen Zuordnung der Bezeichnung NGC 7822 zu Teilen oder gar zur Gesamtheit des Nebelkomplexes. Eine alternative Bezeichnung ist Sh2-171. 

Quelle: Astronomischer Arbeitskreis Salzkammergut, CCD Guide - Bildautor: Rolf Geissinger - Beschriftung: Christopher Hay
Quelle: Astronomischer Arbeitskreis Salzkammergut, CCD Guide - Bildautor: Rolf Geissinger - Beschriftung: Christopher Hay

Auf Sternkarten sind genau auf der Frühlingskolur, d.h. auf Rektaszension 0h00m, weit nördlich der Milchstraße bei 68° Deklination zwei scheinbar isolierte Emissionsnebel dargestellt: NGC 7822 und 1,5° südlich davon Cederblad 214. Es handelt sich hier um die hellsten Teile der eigentlich viel größeren Sternentstehungsregion Cepheus OB4. Ced 214 steht etwas südöstlich des Zentrums von Cep OB4. Der Nebelkomplex wird im Wesentlichen von den jungen, heißen Sternen im Offenen Sternhaufen Berkeley 59 zum Leuchten angeregt. NGC 7822 ist nichts anderes als der Nordrand der expandierenden Gasblase von Cep OB4, die an dieser Stelle auf das interstellare Medium stößt.

 

Im Raum zwischen NGC 7822 und Ced 214 ist eine ovale Höhle freigeblasen worden. Das tiefe Foto zeigt diese Höhle deutlich. Das Feld des Fotos entspricht 2x2° am Himmel.

 

Der hellere Rand in der oberen linken Ecke des Fotos ist NGC 7822. Links-unterhalb der Mitte des Fotos ist der hellste Teil des Nebelkomplexes bläulich dargestellt. Dies ist Cederblad 214. Auch der visuell unscheinbarer offener Sternhaufen Berkeley 59 ist im Foto von einem bläulichen Glühen umgeben.

Nach mehreren vergeblichen  Versuchen, NGC 7822 unter einem 5mag-Himmel mit UHC zu sichten, kam ich am 8. September 2021 auf die Idee, einmal die H-Beta-Palette an diesem Nebel auszuprobieren. Zur Anwendung kam das 10x70 Fernglas mit jeweils identischen Filterpaaren auf den Okularen. Die Durchsicht im Zielgebiet betrug FST 5m2.

 

UngefiltertKein Nebel zu sehen. Berkeley 58 trat bei dieser geringen Vergrößerung nicht als Haufen in Erscheinung.

Astronomik H-Beta 12nm: Mit diesem Filterpaar bekam ich den sehr unbestimmten Eindruck, dass irgendwas los sei an jener Stelle, auf die im obigen Foto die Beschriftung "NGC 7822" hinweist - mit anderen Worten am südlichen Rand der propellerartigen Figur, mit der NGC 7822 im Interstellarum Deep Sky Atlas kartiert wird.

Baader H-Beta 8,5nm CCD: Nun trat eine ovale Struktur in Erscheinung, mit einer beträchtlichen  Ausdehnung von knapp 2° in Ost-West-Erstreckung. Der Rand dieser Struktur erschien aufgehellt, ihre Mitte ganz dunkel (von wenigen Einzelsternen abgesehen). Beim Schwenken des Fernglases konnte ich den nördlichen Rand dieser Struktur recht gut fassen. Auch den westlichen Rand konnte ich einigermaßen klar definieren. Die östlichen und südlichen Ränder waren dagegen schwer zu fassen.

Den propellerartigen Umriss, mit dem NGC 7822 im Interstellarum Deep Sky Atlas kartiert wird, konnte ich nicht ausmachen. Von Ced 214 war nichts zu sehen.

Baader H-Beta 5,5nm CMOS-optimiert: Die ovale Struktur war weiterhin vorhanden, aber weniger deutlich als mit dem 8,5nm-Filter.

 

Die Sichtung des großen, von Ost nach West liegenden Ovals war mir gänzlich überraschend, denn weder die Sternkarten noch die spärlichen Beobachtungsberichte wiesen darauf hin. So begab ich mich auf die Suche und fand auf dem "CCD Guide 2020" das oben gezeigte Foto, welches die Sichtung recht gut nachträglich bestätigt. Das Kartierte und das Gesehene gehen oft in der Nebelbeobachtung auseinander - doch selten so gründlich!

 

Bei anderen Himmelsobjekten ist der 5,5nm-Filter oft bahnbrechend in meiner Beobachtungspraxis - siehe die Berichte hier zu NGC 1499 und Sh2-119. Diesmal war jedoch der 8,5nm-Filter im Vorteil. Dies unterstreicht, wie wertvoll es sein kann, eine gut gestaffelte Palette von H-Beta-Filtern im Fundus zu haben. 


Sh 2-119 - Der 68-Cygni-Nebel

Sh 2-19

GN

21h18m30s

+43°57'00"

sichtbar ab: FG

Größe: 100' x 100'

Helligkeit: --

Quelle: Astronomischer Arbeitskreis Salzkammergut, CCD Guide - Bildautor: Manfred Wasshuber
Quelle: Astronomischer Arbeitskreis Salzkammergut, CCD Guide - Bildautor: Manfred Wasshuber

Auf tief belichteten Aufnahmen ist 3° östlich des Nordamerikanebels NGC 7000 ein elliptischer Nebel von beachtlicher Größe zu sehen, mit einem Durchmesser von etwa 2°. Stewart Sharpless nahm ihn als 119. Eintrag in seinen zweiten Katalog auf, folglich wird er als Sh 2-119 geführt. Da es sich vermutlich um eine Strömgren-Sphäre um den Stern 68 Cygni handelt, ist er auch als "68-Cygni-Nebel" bekannt.

 

Sternkarten zeigen meistens nur den hellsten, knapp 1° langen Bogen östlich von 68 Cygni, der auf nebenstehendem Foto gelblich erscheint. Der Nebel ist jedoch durchaus in seiner Gesamtheit mit kleiner Optik visuell erfassbar. Wesentlich für eine solche Beobachtung sind ein hinreichend großes Gesichtsfeld und eine passende Filterung.

 

 

 

Am 4. September 2021 suchte ich einen Beobachtungsplatz auf, der ein paar Kilometer außerhalb der Stadt lag. Mit FST 5m8 im Zielgebiet war die Himmelsqualität zwar nicht berauschend aber doch ein entscheidendes Stück besser als die übliche 5m0 im vorstädtischen Garten. Dies nutzte ich, um einen Filtervergleich beim 68-Cygni-Nebel mit dem handgehaltenen 10x70 Fernglas zu unternehmen:

 

Ungefiltert: Nichts los.

Astronomik H-Beta 12nm: Eine unbestimmte Fleckigkeit ca. ein halbes Grad östlich des Sterns 68 Cyg. Nicht eindeutig zu sagen, ob dies vielleicht nur eine unaufgelöste Sternfeldverdichtung ist.

Baader H-Beta 8,5nm CCD: Nun tritt ein großer, rundlicher Nebel in Erscheinung. Ca. 1,7° Durchmesser. Die Mitte des Nebels ist nicht genau auf 68 Cyg zentriert, sondern sitzt ein wenig östlich jenes Sternes. Östlicher Rand des Nebels ist am deutlichsten.

Baader H-Beta 5,5nm CMOS-optimiert: Bester Anblick bei Weitem. Der Nebel hat dieselbe Größe wie mit dem Baader H-Beta 8,5nm CCD-Filter, der Kontrast zur Umgebung ist jedoch wesentlich erhöht, besonders nach Osten und Norden.

 

Alle Beobachtungen wurden mit paarweise identischen Filtern durchgeführt, die augenseitig auf die Okulare fixiert wurden.

 

Entscheidend für diese schöne Beobachtung des 68-Cygni-Nebels waren die hinreichende Dunkelheit des Himmelshintergrundes (es braucht offenbar keinen besonders dunklen Himmel, die Schwelle liegt vermutlich um FST 5m5 herum) sowie die Einrahmung im 5,3° großen Gesichtsfeld des Fernglases, was perfekt zur gesehenen 1,7° Größe des Nebels passt. Man sagt ja, dass idealerweise rings um ein Objekt so viel Raum sein sollte, wie das Objekt misst. Jene Faustregel wurde hier auf's Schönste bestätigt. Vor allem aber war die Nutzung der eigentlich fotografisch beworbenen Filtern ausschlaggebend - besonders beeindruckend waren die Ergebnisse mit den 5,5nm-Filtern. 

 

Jiri Gardavsky, ein erfahrener Linienfilterbeobachter, notiert ergänzend: "Der Zentralbereich um 68 Cygni zeigt eine schwächere OIII-Emission, sichtbar durch mein 15x85 Fernglas mit den Baader 10nm OIII-Filtern. Hiermit ist dieser Sh2-119 ein Bicolor-Nebel mit versetzten HII- und OIII-Regionen, die auch mit Ferngläsern voneinander getrennt werden können."

Jener Zentralbereich ist im obigen Foto blau dargestellt.

  


Ganz allgemein bemerkt Jiri Gardavsky weiterhin:

 

"Von den 1125 galaktischen Nebeln der Liste von Beverly Lynds (Lynds Bright Nebulae, LBN) sind etwa 1/3 HII Regionen, die visuell auch durch kleine und mittlere Öffnungen beobachtbar sind. Dazu kommen noch dutzende HII DWB Nebel in der Cygnus X Region. Und falls nicht genug, gibt es noch weitere HII Regionen aus den H-alpha Surveys, mit einem zunehmenden Schwierigkeitsgrad. Und nicht zuletzt, die vergessenen oder einfach übersehenen Gaze-Shajn (1955) HII Nebel."

 

Das sind, grob überschlagen, 400 beobachtbare H-Beta-Objekte. Es gibt noch viel zu erkunden!